Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser – BAG Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Rechtsanwältin Pia Tkotz Arbeitsrecht

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Stundenzettel für Alle? Der Hang zur Kontrolle scheint eine Tendenz im Arbeitsrecht zu sein. Insofern haben sich in 2019 der Europäische Gerichtshof (EuGH) und jetzt aktuell auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar positioniert: Arbeitgeber sind zur Zeiterfassung verpflichtet – wohl ohne Wenn und Aber.

Und zwar sogar über das hinaus, was Arbeitgeber bislang erfassen mussten.

Nach einschlägiger Rechtsprechung war es bislang Pflicht des Arbeitgebers, Überstunden und Sonntagsarbeit zu erfassen und zu dokumentieren.

Auf europäischer Ebene hatte der EuGH bereits im Jahr 2019 ausgeführt, dass darüber hinaus weitergehende Pflichten zur Dokumentation bestünden. Und in seinem aktuellen Urteil hat das BAG dies nun ebenfalls so gesehen (BAG vom 13.09.2022, Az: 1 ABR 22/21).

Kern des anhängigen Verfahrens war zwar eine kollektivrechtliche Frage zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates – anlässlich dieser Fragestellung hat sich das BAG jedoch grundlegend zur Thematik Arbeitszeiterfassung geäußert:

Bereits heute seien Arbeitgeber auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtet, organisatorisch und durch Bereitstellung der erforderlichen Mittel dafür zu sorgen, dass erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes umgesetzt würden.

Und genau dazu zählt – so die Auffassung des BAG – eben auch eine umfassende Arbeitszeiterfassung – für alle Arbeitnehmer.

Zeiterfassung sei eine Maßnahme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und müsse folglich die gesamte Tages- und Wochenarbeitszeit der Beschäftigten umfassen.

Die Urteilsbegründung des BAG ist bislang nicht veröffentlicht, es bleibt also abzuwarten, wie im Einzelnen hier argumentiert wurde und wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit der neuen Situation umgehen können und dürfen.

Anzunehmen ist weiter, dass auch die Gesetzgebung sich damit wird auseinandersetzen müssen, inwieweit die allgemeinen Regelungen insbesondere der Arbeitsschutzgesetze gegebenenfalls zu modifizieren sind.

Und wenn das so bleibt, sind flexible Arbeitszeitmodelle, Vertrauensarbeitszeit ebenso wie auch organisatorisch flexible Arbeitsstrukturen wie HomeOffice und Mobiles Arbeiten erstmal vorbei – und das könnte sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer ein Rückschritt sein.

Insofern bleibt es spannend und wir halten Sie informiert.