Prokura, das unbekannte Wesen

Rechtsanwalt Veit Reichert Gesellschaftsrecht

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Die Prokura ist die größtmögliche Vertretungsvollmacht im Unternehmen. Dass die weitreichenden Befugnisse nur an Mitarbeitende übertragen werden, denen ein entsprechendes Vertrauen entgegengebracht wird, ist klar. Doch mit welchen Freiräumen und Grenzen ist die Prokura eigentlich genau ausgestattet?

Der Inhaber eines im Handelsregister eingetragenen Autohauses erteile einem langjährigen Angestellten Prokura, da er sich selbst etwas entlasten wollte. Er ließ das auch ordnungsgemäß im Handelsregister eintragen, wo es entsprechend veröffentlicht wurde. Wenig später erfuhr der Chef, dass der Prokurist Gelder veruntreut hatte und widerrief daraufhin die Prokura. Im gleichen Zuge sprach er auch eine Kündigung aus. Da er von dem Vorfall emotional so berührt war und sich so ärgerte, versäumte er, den Widerruf der Prokura zur Eintragung im Handelsregister anzumelden. Der entlassene Prokurist schloss seinerseits im Namen des Autohauses einen Pachtvertrag über ein Gastronomieobjekt ab. Der Verpächter tat das nach Einblick in das Handelsregister im guten Glauben und forderte vom Inhaber des Autohauses Regress, nachdem der Betrug aufgeflogen war. Zu Recht?

Was ist der Unterschied zur Handlungsvollmacht?

Dieses Praxisbeispiel zum Anlass zu nehmen, gar keine Prokura mehr zu erteilen, wäre sicherlich zu kurz gesprungen: Wenn Ihr Unternehmen in den letzten Jahren stark gewachsen ist und Sie die Geschäftsführung auf mehrere Schultern verteilen müssen, kommen Sie gar nicht umhin, sich mit dem Thema Prokura auseinander zu setzen. Das gilt ebenso, wenn Sie ein Start-up gegründet haben und eine Vertrauensperson mit entsprechenden Vollmachten ausstatten wollen. Oder wenn Sie sich aus Altersgründen aus dem operativen Geschäftsbetrieb zurückziehen wollen und beabsichtigen, einen Vertreter zu installieren. Dann lohnt sich im ersten Schritt wie so oft ein Blick ins Gesetz: Die Prokura ist im Handelsgesetzbuch (§ 48 bis § 53 HGB) geregelt. Demnach ermächtigt sie zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich bringt. Im Unterschied zur sogenannten Handlungsvollmacht darf die Prokura im Außenverhältnis nicht beschränkt werden. Außerdem muss sie im Handelsregister eingetragen werden – das schafft Rechtssicherheit für die Geschäftspartner.

Was erlaubt die Prokura?

Insbesondere in Unternehmen, in denen viele Verträge geschlossen werden, wären die betrieblichen Aufgaben ohne Prokuristen und Prokuristinnen kaum zu bewältigen. Dabei umfasst die Prokura alle betrieblichen Funktionen wie Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Versicherung oder Finanzierung, aber auch organisatorische oder arbeitsrechtliche Handlungen. So dürfen Angestellte mit Prokura unter anderem: Mitarbeitende einstellen und entlassen, Unternehmen erwerben, Darlehen aufnehmen, Miet- und Pachtverträge oder andere Dauerschuldverhältnisse eingehen und beenden, Klagen erheben und Prozesse führen. Ausgenommen sind lediglich Handlungen, die das Handelsgeschäft als solches betreffen. Dazu zählen die Belastung und Veräußerung von Grundstücken, der Verkauf des Unternehmens, die Aufnahme neuer Gesellschafter, der Insolvenzantrag, die Änderung der Rechtsform oder die Veränderung des Unternehmenszwecks.

Wie endet die Prokura?

Eine wichtige Nachricht ist: Unternehmensinhabende sind jederzeit berechtigt, die Prokura ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Und natürlich erlischt die Prokura mit dem Tod des Prokuristen, bzw. der Prokuristin – ebenso mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Anders ist es, wenn der oder die Unternehmensinhaberin stirbt – das führt nicht zwangsläufig zum Erlöschen der Prokura. Und Vorsicht: Selbst wenn im Innenverhältnis die Prokura erloschen ist, können sich Außenstehende noch so lange auf sie berufen, wie sie im Handelsregister eingetragen ist. Deshalb sollten Sie als Unternehmensinhaber und Unternehmensinhaberin im eigenen Interesse so schnell wie möglich die Löschung anmelden.

Ist das schon alles?

Die Erteilung der Prokura hat für das Unternehmen umfangreiche rechtliche Auswirkungen. Neben den beschriebenen Rahmenbedingungen gibt es noch viele weitere Aspekte – einige Stichworte sind: Unterprokura, Filialprokura, Beschränkung und Haftung im Innenverhältnis oder gesellschaftliche Vereinbarung zur Prokura-Eintragung.

Gerne beraten wir Sie hinsichtlich Ihrer individuellen Situation und begleiten Sie vertrauensvoll bei der Prokuraerteilung. Rufen Sie uns einfach an: 069 17 32 62 740 oder schicken Sie uns eine Mail: info@akvr.de. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.